Heute war ich mit unserer Tochter in Freiburg und habe an einer ungehorsamen Versammlung teilgenommen, zu der die letzte Generation aufgerufen hat. 2 ½ Stunden haben wir friedlich die Straße vor dem Hauptbahnhof blockiert – ohne kleben, dafür mit Sitzblockaden, Musik, vielen Gesprächen und diversen sehr interessanten und wichtigen Redebeiträgen.
Einer dieser Redebeiträge ist nun der Grund warum ich diesen Text schreibe. Vielleicht haben einige mitbekommen, dass es im letzten Jahr zu Hausdurchsuchungen, Abhörmaßnahmen, der Beschlagnahmung der Website und dem Einfrieren von Geldern bei der letzten Generation gekommen ist. Begründet wurde dies mit dem Aussage, dass man befürchtet, dass sich eine kriminelle Vereinigung gründet. Dies hat nun letztendlich dazu geführt, dass die Staatsanwaltschaft Neuruppin gegen fünf Menschen Anklage erheben möchte.
Das wirklich schockierende und beängstigende daran, ist die Berufung auf den §129, der folgendes besagt:
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.
(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.
Kompletter Gesetzestext: § 129 StGB – Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)
Deutschland fasst den Tatbestand damit weiter, als die Europäische Union vorgibt. Das führt dazu, dass besonders politischer Protest und Vereinigen zu selbstlosen Zielen unter §129 StGB fallen können, während die EU vorschlägt den Vorwurf der „kriminellen Vereinigung“ wie folgt zu begrenzen:
RAHMENBESCHLUSS 2008/841/JI DES RATESvom 24. Oktober 2008zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität
Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses bezeichnet der Ausdruck „kriminelle Vereinigung“ einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die, um sich unmittelbar oder mittelbar einen finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteil zu verschaffen, in Verabredung handeln, um Straftaten zu begehen, die mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung im Höchstmaß von mindestens vier Jahren oder einer schwereren Strafe bedroht sind.
Vollständiger Text des Rahmenbeschlusses unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32008F0841
Mittlerweile gibt es zahlreiche Rechts-Expert:innen die diesen Paragraphen in seiner bestehenden Form als verfassungswidrig einschätzen.
Der Wortlaut dieses Paragraphen ist so weit gefasst, dass sehr viele Gruppen und Menschen theoretisch darunter fallen können. Um unliebsamen und störenden Protest einzuschränken, wird dies von immer mehr Staatsanwaltschaften ausgenutzt.
Besonders schockierend ist, dass schon vor einem Gerichtsentscheid, ob überhaupt eine kriminelle Vereinigung vorliegt oder nicht, Staatsanwaltschaften viele Ermittlungsmöglichkeiten haben. Unter anderem Wohnungsdurchsuchungen, Abhören von Handys, Beschlagnahmung von Webseiten und Geld und vieles mehr.
Damit kann die Staatsanwaltschaft eine zivilgesellschaftliche Bewegung, wie zum Beispiel die Letzte Generation, schwächen und einschränken – und die Staatsanwaltschaften müssen machen was der:die Justizminister:in des Landes sagt und sind nicht unabhängig so wie Gerichte.
So wird der §129 StGB zu einem politischen Kampfwerkzeug gegen wirksamen Protest und das ,obwohl er eigentlich zum Schutz vor Terror und der Bekämpfung von organisierter Kriminalität genutzt werden soll.
Nun sind wir ALLE gefragt! Wir ALLE können noch bis zum 28. März eine Stellungsnahme an die Staatsanwaltschaft in Neuruppin schreiben und uns dafür stark machen, dass Klimaschutz kein Verbrechen ist, dass Menschen die sich für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen einsetzen, niemals auch nur im Ansatz mit Kriminellen verglichen und bestraft werden dürfen und das Protest und seine Meinung kund tun, auch wenn es stört und nervt, existenzielle Bestandteile einer lebendigen Demokratie sind und darauf nicht verzichtet werden darf und kann.
Es darf nicht passieren, dass man einmal mehr versucht, die falschen Menschen zu kriminalisieren und die fossilen Ölkonzerne und Lobbyisten weiter machen dürfen als gäbe es keine Klimakrise…
Unter https://menschengegenoel.org findet ihr alle wichtigen Infos, eine Auflistung von Fakten und die Möglichkeit der Stellungnahme.